Unser Vater unter den Heiligen
Martin der Mildtätige, Wundertäter und Bischof von Tours
Der Patron unserer Kirche in Balingen ✥ Zusammengestellt von Thomas Zmija
Der heilige Martin war der Sohn eines heidnisch-römischen Militärtribuns. Er wurde in Pavia, der Heimatstadt des Vaters, christlich erzogen und im Alter von zehn Jahren in die Gruppe der Katechumenen - der Taufbewerber - aufgenommen. Mit 15 Jahren musste er auf Wunsch des Vaters in den Soldatendienst bei einer römischen Reiterabteilung in Gallien eintreten. Im Alter von 18 Jahren wurde er vom heiligen Hilarius, dem späteren Bischof von Poitiers, getauft. Im Alter von 20 Jahren schied er vor einem neuen Feldzug gegen die Germanen aus dem römischen Militärdienst aus.
Auslöser für diese Entscheidung war gewesen, dass der heilige Martin am Stadttor von Amiens hoch zu Ross einem frierenden Bettler begegnete. Ihm schenkte er die mit dem Schwert geteilte Hälfte seines Offiziersmantels. In der folgenden Nacht erschien ihm dann unser Herr Jesus Christus selbst mit dem Mantelstück bekleidet: ER Selbst war es, der den heiligen Martin in der Gestalt des Bettler begegnet war.
Ikone in der Siechenkapelle in Balingen
Griechische Ikone des 16. Jahrhunderts: der heilige Martin teilt den Mantel
Der heilige Martin änderte daraufhin sein ganzes Leben. Er ging zunächst zum heiligen Hilarius nach Poitiers, der damals die Leuchte der Orthodoxie im Kampf gegen die Irrlehre der Arianer in Gallien war und wurde von ihm zum Leser (Exorzisten) geweiht. Der heilige Martin kehrte daraufhin in seine Heimat Pannonien – einer damaligen römischen Provinz im heutigen Ungarn – zurück. Er wollte dort den christlichen Glauben verkünden und taufte als Erste seine eigene Mutter. In den Streitigkeiten um die Häresie des Arianismus, der die Göttlichkeit Christi bestritt, wurde der heilige Martin aus Pannonien ausgewiesen und zog sich nach mancherlei Wundern und Abenteuern über Mailand, wo er dem heiligen Ambrosius begegnete, auf die kleine Insel Gallinaria im Golf von Genua zurück. Dort führte er ein Einsiedlerleben, bis ihn der aus der Verbannung zurückgekehrte Bischof Hilarius im Jahre 360 zu sich nach Poitiers rief. Martin errichtete dann im Jahre 361 in Ligugé in der Nähe von Poitiers eine Einsiedlerzelle, aus der das erste Kloster in Gallien erwuchs.
Auf Drängen des Volkes wurde der heilige Martin im Jahre 371 gegen seinen Willen und trotz starker Vorbehalte unter den Priestern der Diözese zum Bischof von Tours geweiht. Um der Weihe entgehen zu können, hatte sich der heilige Martin in einem Stall versteckt. Aber die Gänse hatten ihn durch ihr Geschnatter verraten. Der volkstümliche Brauch der Martinsgans, die man vielerorts am Festtag des Heiligen Martins verzehrt, rührt von dieser Geschichte her. Eine andere Überlieferung berichtet, dass als der heilige Martin, als er predigte, von einer Schar schnatternder Gänse, welche in die Kirche watschelten, unterbrochen wurde. Sie wurden von den zuhörenden Gläubigen gefangen genommen und zu einer Mahlzeit verarbeitet.
Als gerechter und treusorgender Bischof war der heilige Martin beim Volk sehr beliebt. Auch als Bischof blieb seine Lebensweise asketisch ausgerichtet. Er lebte zuerst in einem Kellion an der Kathedrale, dann gründete er eine Skite an der Loire in der Nähe seiner Bischofsstadt Tours. Daraus entwickelte sich später das Kloster Marmoutier (Maursmünster), das zu einem bedeutenden monastisch-religiösen Zentrum im ganzen Frankenreich wurde. Hier lebten unter der Leitung des heiligen Martin am Ende 80 Mönche. Das Kloster besaß, im Gegensatz zu den Gebräuchen der damaligen Zeit, keinen Landbesitz. Auch hatte der heilige Martin den Mönchen den Handel mit eigenen oder fremden Erzeugnissen verboten. So war die Bruderschaft allein auf Spenden der Gläubigen angewiesen. Die Mönche übten, außer dem Kopieren heiliger Schriften, kein Handwerk aus. Täglich gab es nur eine gemeinsame Mahlzeit. Das Leben der Bruderschaft war von den gemeinsamen Gebetszeiten und strenger Zurückgezogenheit geprägt. Vor allem sollte die Bruderschaft keine Verbindung zum Klerus der Kathredrale unterhalten, um nicht in die kirchliche Tagespolitik hineingezogen zu werden. Diese asketische Haltung brachte dem heiligen Martin aber immer wieder auch das Unverständnis und die Gegnerschaft seiner Priester ein.
Missionsreisen führten den heiligen Martin durch sein ganzes Bistum. Mit Hilfe seiner Mönche gründete er in den Dörfern Landpfarreien und organisierte den Pfarrklerus nach dem Vorbild seiner Mönche. Bis dahin hatte es in Gallien nur Gemeinden in den Städten gegeben. Der heilige Martin war in seiner Aufgabe als Bischof furchtlos und treu. Bei aller asketische Demut konnte der heilige Martin als Bischof prophetengleich und gebieterisch auftreten, so z. B. bei seiner straflos bleibende Konfrontation mit dem Usurpator Maximus, bei dem er vergeblich versuchte, die von ihm selbst abgelehnten Sekte der Priscillianer vor blutiger Verfolgung zu retten.
Alle Berichte über das Leben des heiligen Martins betonen seine stets schlichte Lebensart und demütige Haltung, die ihn von seinen, meist aus dem Senatorenadel stammenden und dessen Lebensstil pflegenden, Mitbrüdern im Bischofsamt abhob. Der heilige Martin putzte seine Schuhe selbst und saß nicht auf der bischöflichen Kathedra, sondern auf einem einfachen Bauernschemel. Als er einmal seine Leinentunika einem Armen schenkt hatte und die für ihn auf dem Markt neu Gekaufte zu kurze Ärmel hatte, bekleideten ihn die heiligen Engel selbst zur Feier der Göttlichen Liturgie mit dem entsprechenden Untergewand.
Tief beeindruckt von der Lebenshaltung des heiligen Martin verfasste der spätantike Rhetor Sulpicius Severus die erste Lebensbeschreibung des heiligen Martin. Schon zu seinen Lebzeiten und erst recht nach seinem Tode beruhte die Verehrung des heiligen Martin auf den, auf sein Gebet hin durch Christus, Gott, gewirkten Wundern, die nach seinem Tod sogar noch zunahmen.
Ikone in der Siechenkapelle in Balingen
Auf einer seiner vielen Missionsreisen starb der heilige Martin. Seine Mönche brachten den Leichnam auf der Loire nach Tours, wo er drei Tage später beigesetzt wurde. Zur seiner Beisetzung versammelte sich eine unübersehbare Schar der Gläubigen. Sein Schüler und Nachfolger als Bischof, Brictius, errichtete über seinem Grab eine erste Kapelle, die schnell ein vielbesuchtes Pilgerziel und das fränkische Nationalheiligtum wurde. Bischof Perpetuus von Tours errichtete im 5. Jahrhundert dann die neue, dem heiligen Martin geweihte, Basilika in Tours. Ab dem Beginn des 6. Jahrhunderts verbreitete sich die Verehrung des heiligen Martins allmählich in ganz Westeuropa.
König Chlodwig I. erwählte den Heiligen Martin zum Schutzheiligen der fränkischen Könige und ihres Volkes. Sein Mantel galt als fränkische Reichsreliquie, er wurde seit 679 am Königspalast in Paris aufbewahrt und auf allen Feldzügen mitgeführt. So auch in der Schlacht bei Tours, wo durch den Sieg des fränkischen Hausmeiers Karl Martell das Vordringen der andalusischen Mauren nach Westeuropa gestoppt und die Eroberung des Abendlandes durch den Isam verhindert werden konnte.
Mit König Pippin dem Mittleren kam die Cappa, der Mantel des heiligen Martins, dann endgültig in die Obhut der Karolinger, die die Martinsverehrung belebten und nach Friesland und in die deutschsprachigen, rechtsrheinischen Gebiete verbreiteten.
Die Reliquien des Heiligen Martins wurden größtenteils im 16. Jahrhundert von den französischen Protestanten (Hugenotten) verbrannt. Aber einige Teile der Reliquien wurden gerettet und befinden sich heute in der Krypta der 1902 neu erbauten Basilika von Tours.
Heutige Basilika des heiligen Martin in Tours
Blick in die Kapelle des heiligen Martin des Mildtätigen in Tours
Nach der russischen Revolution siedelten sich in Tours und der Umgebung, erstmals wieder seit der Antike, orthodoxe Christen an. Im April 1944 wurde von Metropolit Evlogij die erste, der Allheiligsten Dreieinheit, geweihte orthodoxe Pfarrgemeinde in Tours gegründet. Als im Zweiten Weltkrieg ihre erste Gebetsstätte bei einem Bombenangriff der Amerikaner zerstört wurde, fand die kleine orthodoxe Gemeinde Aufnahme für die Feier ihrer Gottesdienste in der katholischen Basilika des heiligen Martin. 1987 wurde die heutige Kapelle des heiligen Martin des Mildtätigen in Tours eingerichtet. Die Gemeinde wird heute vom Vater Pascal Otabela Ngono geleitet. An jedem zweiten und vierten Sonntags des Monats versammelt sie sich zu Feier der Göttlichen Liturgie der die Lesung der Stunden um 10.00h vorausgehen. Am Vorabend findet um 18.30 h die Vesper statt.
Die Orthodoxe Kirche des heiligen Martin des Mildtätigen liegt im Stadtzentrum von Tours in der Nähe des Platzes Jean Jaures:
Eglise Orthodoxe Saint Martin le Misericordieux
6 rue Eupatoria
37000 Tours.
Tel: 0247-641307
E-Mail Vater Pascal:
perepascal@yahoo.frE-Mail des Gemeindebüros:
secretariat@eglise-orthodoxe-tours.fr