Aus dem Kirchenjahr

Christi Himmelfahrt

Hochfest der Himmelfahrt unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus

Mit der Himmelfahrt unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus ist die österliche Zeit abgeschlossen und es beginnt die Vorbereitung auf Pfingsten. In der Kirche werden nicht mehr die Gesänge des Osterjubels gesungen; die Gläubigen begrüßen einander nicht mehr mit dem Ostergruß. Dennoch empfinden wir keinen traurigen Abschied vom Herrn, sondern stellen uns viel mehr in freudiger Erwartung auf die verheißene Sendung des Heiligen Geistes ein.

So fährt Christus auf in die Herrlichkeit des Vaters, ohne sich von uns zu trennen. Mit Ihm wird auch unsere menschliche Natur der göttlichen Herrlichkeit teilhaftig.

Hier beginnt, was sich einst auch an uns und am ganzen Kosmos vollenden wird: die Rückführung der von Gott getrennten Schöpfung.

Nachdem Du für uns die Heilsordnung erfüllt
und das Irdische mit dem Himmlischen vereint hast,
bist Du aufgefahren in Herrlichkeit,
Christus, unser Gott.
Ohne uns zu verlassen, ungetrennt,
rufst Du denen, die Dich lieben zu:
Ich bin mit euch,
und niemand kann wider euch sein!

Wie Du Selbst gewollt, wurdest Du geboren.
Und wieder erschienst Du, wie Du Selbst beschlossen,
und littest als Mensch.

Doch als Gott standest Du auf,
und zu den Himmeln in Herrlichkeit stiegest Du empor
und führtest hinauf der Menschen Natur,
und mit Herrlichkeit schmücktest Du sie.

Aus den Gesängen des Festes Christi Himmelfahrt

Die Himmelfahrt Christi

Die Evangelien geben bekannt, dass der auferstandene Christus sich mehrmals seinen Jüngern an verschiedenen Orten zeigte. Am Tag der Himmelfahrt haben sich die Apostel in Jerusalem versammelt, damit sie sich das letzte Mal mit ihrem Lehrer treffen.
Zu der Zeit war Jerusalem in Trauer versunken. Es gab Gerüchte, dass Christus nicht auferstanden wäre, dass seine Schüler Ihn versteckt hätten. Die Pharisäer taten alles, um die Worte des Psalmisten:„ die Tore des Todes befinden sich in der Macht des Allmächtigen!“ zu vergessen und auch das, was Gott kurz vor seiner Verkörperung durch den Mund des Propheten Jesaja gesprochen hatte: „Aus der Gewalt der Unterwelt will ich sie erlösen, vom Tode loskaufen. Wo bleiben nur deine Seuchen, o Tod wo ist dein Pest, o Unterwelt. Mitleid verbirgt sich vor meinen Augen! Ja, mag jener auch blühen zwischen dem Riedgras, es kommt der Ostwind, der Odem des Herrn, der aus der Wüste aufsteigt. Da versiegt seine Quelle und vertrocknet sein Born man Plündert den Schatz, alles kostbare Gut.“

In einer ganz anderen Stimmung befanden sich die Apostel. Ihre Gedanken befanden sich bei dem zu ihnen kommenden Christus. Und ganz unerwartet stand Er selbst in ihrer Mitte und sprach zu Ihnen –„Friede sei mit euch“ Sie aber erschraken und fürchteten sich und glaubten, einen Geist zu sehen. Und Er sprach zu ihnen „Warum seid ihr verwirrt und warum steigen Zweifel auf in euren Herzen? Seht an meinen Händen und Füßen, dass ich es selbst bin“.

Es begann das letzte Gespräch. Womit charakterisieren sich solche Gespräche? Überwiegend während solcher letzten Gespräche summiert man das Leben und man überließ die Belehrungen und den Segen denen, die weiterhin leben und arbeiten werden. So hat es auch unser Herr getan.

Er erinnerte die Apostel an viele über Ihn gesprochene Prophezeiungen. Er machte sie aufmerksam an ihre Erfüllung in seinem Leben, seinen Leiden und seiner Auferstehung. Er sagte ihnen: „Alles muss erfüllt werden, was im Gesetz Moses bei den Propheten und in den Psalmen geschrieben steht über mich. Dann erklärte Er ihnen den Sinn der Schriften und sprach: So steht geschrieben: Der Messias wird leiden und von den Toten auferstehen am dritten Tag, und in seinem Namen wird Bekehrung und Vergebung der Sünden verkündet an die Völker, angefangen von Jerusalem. Ihr seid Zeugen dafür, und seht, ich sende die Verheißung meines Vaters auf euch“.

Die Zeit der Verabschiedung nahte. Der himmlische Lehrer führte seine Schüler nach Bethanien auf den Ölberg. Dort, während seines irdischen Lebens wollte Er gerne in Einsamkeit beten. Jetzt ging Er mit Seinen Schülern, um sich von ihren zu verabschieden und befahl Ihnen, bis zum herabkommen des Hl. Geistes, sich aus Jerusalem nicht zu entfernen.

Der Hl. Geist wird sich in der Kirche bis zum Ende der Welt aufhalten, Er wird sie alle stärken, alle die auf die Worte der Hl. Aposteln und ihrer Nachfolger hören werden. Er wird sie stärken und trösten. Die Apostel schauten aufmerksam wie Er sie mit seinen Händen segnete und Er wurde in den Himmel emporgehoben. Die Apostel schauten Ihm nach und plötzlich erschienen zwei Engel die ihnen eine erfreuliche Nachricht überbrachten: „Diesen Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird ebenso wiederkommen, wie ihr Ihn habt auffahren sehen.“ Diese Nachricht hat die Apostel sehr erfreut. Sie hat sie überzeugt dass sie stets unter seiner Obhut seien, unter Gottes Obhut, so wie es zu Lebzeiten Jesus war.

Deswegen schreibt der Evangelist Lukas „Sie fielen anbetend vor ihm nieder und kehrten mit großer Freude nach Jerusalem zurück. Sie waren beständig im Tempel und lobten und priesen Gott“.

So beendete Er sein Irdisches Leben unser Herr Jesus Christus. Er hat alles vollbracht, was für unsere Erlösung unerlässlich ist. Er offenbarte die Geheimnisse des Königsreiches, Er zerriss die Fesseln des Bösen, besiegte den Tod und schenkte uns die Verheißung des ewigen Lebens.

Dieses Fest wird 40 Tage nach Ostern gefeiert

Die Bezeichnung des Festes gibt seinen Inhalt wieder die Himmelfahrt des Herrn Jesus Christus, d. h. das Ende Seines irdischen Wirkens. Gleichzeitig ist es Sein Abschied von den Jüngern. Nach Seiner Auferstehung von den Toten gehörte unser Herr Jesus Christus schon mehr zum Himmel als zur Erde. Er sagte in der Abschiedsrede zu Seinen Jüngern: “Ich verlasse die Welt wieder und gehe zu meinem Vater.” Er hatte dies schon vor Seinem heilbringenden Leiden und vor Seinem Kreuzestod gesagt, aber auch nach Seinem Sieg über die Hölle und den Tod durch Seine Auferstehung wiederholte Er vor Maria Magdalena: “Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ Es ist verständlich, dass das irdische Wirken des Menschensohnes zu Ende gegangen war,

Er hatte schon vollbracht, was Ihm der himmlische Vater zu tun aufgetragen hatte. Und jetzt musste Er in Seine Herrlichkeit eingehen, die Er bereits besaß, als die Welt noch nicht geschaffen war.

Der Herr sagte schon in Seiner ersten Erscheinung nach Seiner Auferstehung Maria Magdalena, und durch sie auch allen Seinen Jüngern, dass Er bald in den Himmel auffahren werde.

Aber die Sorge Christi um Seine Jünger, die Er unendlich liebte, hielt Ihn noch auf der Erde. Deshalb fuhr der Herr nicht sofort in den Himmel auf, lebte aber nicht ständig mit Seinen Jüngern, verbrachte mit ihnen nicht Tage und Nächte, die Zeit der Ruhe und des Mahles, so wie es früher gewesen war. Er erschien ihnen unerwartet einmal, als sie sich unterhielten, als die Türen des Hauses aus Angst vor der Wut der Juden versperrt waren, ein anderes Mal auf dem Weg aus einer Stadt in eine andere und dann schließlich, als die Jünger im Boot auf Fischfang waren.

Bei Seinen Erscheinungen fuhr der Herr fort, sie die Wahrheiten des Evangeliums zu lehren, Er erzählte ihnen vom Reich Gottes. Der Herr machte sie fähig, die Heilige Schrift richtig zu verstehen, sprach zu ihnen von Seiner Macht im Himmel und auf Erden, davon, dass sie erwählt seien, die Frohe Botschaft allen Völkern zu verkünden, sie zu taufen und alles zu lehren, was Er sie gelehrt hatte. Der Herr versprach. so lange mit Seiner Kirche zu sein, bis das Ende dieser Welt komme. So bereitete Er sie auf eine große Aufgabe vor - den apostolischen Dienst. Es vergingen vierzig Tage.

Die Zahl vierzig ist nicht zufällig. In der ganzen Heilsgeschichte ist dies die Zahl der Erfüllung der großen Heilstaten. Am vierzigsten Tag mussten die Kinder gemäß dem Gesetz, das der Herr Mose gegeben hatte, von den Eltern in den Tempel gebracht werden, zum Herrn. Und jetzt, am vierzigsten Tag nach Seiner Auferstehung musste Jesus Christus als der Erlöser der Menschheit wie nach einer neuen Geburt in das Haus Seines Vaters eingehen.

In einer Seiner Erscheinungen hatte ihnen der Herr geboten, an diesem Tag in Jerusalem zusammenzukommen. Die Heilige Stadt war voll von Feinden Jesu Christi, aber es fanden sich Leute, bei denen die Jünger Unterkunft bekamen und sich sogar versammeln konnten. Es ist durchaus möglich, dass einer dieser Orte das Haus war, wo das letzte Abendmahl vor der Kreuzigung des Erlösers stattgefunden hatte und in dem sich dann die Jünger befanden, als einige Tage nach der Himmelfahrt Christi auf sie der Heilige Geist herabkam.

Als sich die Jünger versammelt halten, erschien unerwartet und geheimnisvoll wie immer in diesen vierzig Tagen der Herr. Er sagte ihnen nochmals, weshalb es für Ihn unumgänglich gewesen war, für die Menschen zu leiden und zu sterben. Damit die große Kunde von der Erlösung bis in die entlegensten Länder der Welt und zu allen Völkern gelange, die sie bewohnen, rief Er Seine Jünger zur Predigt auf und beauftragte sie, Sein Wirken fortzusetzen.

Während Er mit den Jüngern sprach, führte Er sie aus der Stadt hinaus und ging in Richtung Betanien. Und so kamen sie, während sie sprachen, zum Gipfel des Ölbergs, der ungefähr einen Kilometer von Jerusalem entfernt ist. Hier blieb der Herr stehen. Er sah Seine Jünger an, erhob Seine Hände und segnete sie. Dieser Segen galt nicht nur ihnen, sondern allen Christen, wo und wann sie auch leben mögen. Vor den Augen der erstaunten Jüngern erhob Er sich in den Himmel und entschwand ihren Blicken. Diese Himmelfahrt dauerte lange, so dass die Jünger dieses großartige Schauspiel genießen konnten. Und erst als der Herr so hoch in den Lüften war, dass das Auge kaum etwas zu unterscheiden vermochte, erschien eine helle Wolke und verhüllte Ihn.

Die Apostel sahen voll Ehrfurcht dieses letzte Wunder des Herrn auf Erden. Sie blickten angestrengt in den Himmel, als plötzlich vor ihnen zwei leuchtende Engel standen, die ihnen sagten: “Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.” Der Herr wird genauso plötzlich und unerwartet und genauso unverkennbar und feierlich kommen, wie Er weggegangen ist. Er kommt genauso in einer Wolke und in Seiner menschlichen Gestalt.

Durch die Worte der Engel verstanden die Apostel, dass sie auf dem Ölberg auf nichts mehr zu warten hatten. Sie verneigten sich in Ehrfurcht vor dem aufgefahrenen Herrn und kehrten nach Jerusalem zurück, aber nicht traurig ob der Trennung, sondern wie der Evangelist Lukas schreibt, mit großer Freude. Sie freuten sich über die Herrlichkeit ihres Lehrers. Bei Seiner Himmelfahrt überzeugten sich die Apostel endgültig davon, dass Er wirklich Gott ist, der Herrscher des Himmels und der Erde. Sie freuten sich auch, dass sie zu einer großen Aufgabe berufen wurden, freuten sich über die Erscheinung der Engel und darüber, dass diese gesagt hatten, dass sie der Herr nicht für immer verlassen hat.

Zeugin der Himmelfahrt war auch die Mutter Gottes. Davon sprechen die kirchlichen Gesänge. Sie litt mehr als alle, als sie das Leiden des Herrn auf dem Kreuz sah, aber jetzt freute sie sich mehr als alle, als sie Seine Herrlichkeit sah.

So vollzog sich die Himmelfahrt des Herrn

Im Herrn Jesus Christus wurde auch die menschliche Natur in den Himmel aufgenommen. Der Mensch wurde des göttlichen Lebens teilhaftig, deshalb wird uns der Herr alles schicken, worum wir Ihn bitten, Er wird alles für uns tun, damit wir errettet werden.

Wir dürfen aber nicht vergessen, dass seit der Himmelfahrt Christi unser wahres Leben im Himmel ist. Unser Streben muss auf Christus gerichtet sein, dorthin, wo Er zur Rechten Gottes des Vaters sitzt. Dort ist unser ewiges Haus.

Troparion, 4. Ton:

Du hast Dich erhoben in Herrlichkeit, Christus, unser Gott, und den Jüngern durch die Ankündigung des Heiligen Geistes Freude bereitet, indem sie durch Deinen Segen erfuhren, dass Du der Sohn Gottes bist, der Erlöser der Welt.

Kondakion, 6. Ton:

Nachdem Du die Heilsordnung für uns erfüllt und das Irdische mit dem Himmlischen geeint hast, bist Du aufgefahren in Herrlichkeit, Christus, unser Gott, indem Du keineswegs von uns gegangen, sondern ungetrennt geblieben bist, und denen, die Dich lieben, zurufst: Ich bin mit euch und niemand kann gegen euch sein!

Aus: Andreij Lorgus, Michail Dudko, Orthodoxes Glaubensbuch. Eine Einführung in das Glaubens- und Gebetsleben der Russischen Orthodoxen Kirche, Verlag Der Christliche Osten Würzburg 2002.

Christi Himmelfahrt.
Festabschluss der Osterzeit:

Der Mittwoch, der dem fünften Sonntag nach Ostern folgt, ist der Tag, an dem wir die Osterzeit abschließen. Wir gedenken des letzten Tages der tatsächlichen Gegenwart des auferstandenen Christus unter Seinen Jüngern; und zur Ehre dieser Seiner Gegenwart, und um die Auferstehung noch einmal zu ehren, wiederholt die Kirche an diesem Mittwoch den gesamten Gottesdienst des Oster-Sonntags. Und nun kommen wir zum vierzigsten Tag nach Ostern, zu dem Donnerstag, an dem die Kirche das Fest der Auffahrt feiert (Lk 24,51).

Zur Vesper der Himmelfahrt am Mittwoch Abend werden drei Lesungen aus dem Alten Testament gelesen. Die erste Lesung (Jes 2,2-3) spricht vom Berg: "Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge ... zu ihm strömen alle Völker ... Viele Nationen machen sich auf den Weg ... Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn." Dies bezieht sich auf dem Ölberg, von dem Christus zu Seinem Vater aufstieg. Die zweite Lesung (Jes 62,10-63,3.7-9) wurde wegen der folgenden Worte gewählt: "Zieht durch die Tore ein und aus, und bahnt dem Volk einen Weg ... In seiner Liebe und seinem Mitleid hat er selbst sie erlöst. Er hat sie emporgehoben und sie getragen ...". Christus, aufgefahren in den Himmel, öffnet Seinem Volk die Tore, Er bereitet ihm den Weg, Er trägt es und hebt es mit sich empor. Die dritte Lesung (Sach 14,1.4.8-11) redet ebenso von dem Berg, der den Hintergrund für den letztendlichen Triumph Christi abgab: "Siehe, es kommt ein Tag für den Herrn ... Seine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen, der im Osten gegenüber von Jerusalem liegt. ... An jenem Tag wird aus Jerusalem lebendiges Wasser fließen ..."

Die Gesänge für den Orthros von Himmelfahrt sind bereits erfüllt mit Andeutungen, die sich auf den Geist, den Tröster beziehen, den Christus senden wird. Himmelfahrt ist das Vorspiel für Pfingsten.

Bei der Liturgie wird der Anfang der Apostelgeschichte (Apg 1,1-12) gelesen. Jesus wird, nach einem letzten gemeinsamen Mahl mit Seinen Aposteln, emporgehoben und in einer Wolke aufgenommen. Die Gegenwart einer Wolke zeigt klar den symbolischen Charakter dessen, was man den physischen Aspekt der Himmelfahrt nennen könnte. Die Wolke, die das Offenbarungszelt, die Stiftshütte, umhüllte und die Israel durch die Wüste führte bildete das sichtbare Zeichen der göttlichen Gegenwart. Die Aufnahme Christi in eine Wolke ist keine banale Bildersprache: es bedeutet, dass das Ende des irdischen Lebens unseres Herrn die Aufnahme Seines verklärten Leibes in den Schoß Gottes ist.

Das Evangelium für die Liturgie (Lk 24,36-53) berichtet von den Geschehnissen, beginnend bei der ersten Erscheinung des auferstandenen Jesus bei den versammelten Jüngern, bis zu Seiner Himmelfahrt.

Wenn man die Osterfreude ernsthaft durchlebt hat, empfindet man schon einen gewissen Abschiedsschmerz, wenn der Himmelfahrtstag sich nähert. Wir wissen natürlich, dass er einer der großen christlichen Festtage ist, und doch erscheint er wie eine Trennung, ein Abschied und danach ist unser Herr nicht mehr in ganz derselben Weise bei uns. Die Jünger aber empfanden das nicht so. Sie hätten von Trauer überwältigt sein können, aber das Gegenteil war der Fall, denn "dann kehrten sie in großer Freude nach Jerusalem zurück" (Lk 24,52). Auch wir können zu dieser Freude der Himmelfahrt gelangen. Warum sollen sich Christen über die Himmelfahrt freuen?

Erstens, die Herrlichkeit unseres Herrn muss uns kostbar sein und die Himmelfahrt ist die Krönung Seiner irdischen Sendung. Er hat Seine Sendung, die Ihm der Vater aufgetragen hat, erfüllt. Sein ganzes Wesen verlangt nach dem Vater. Nun wird Er vom Vater willkommen geheißen für Seinen Sieg über Sünde und Tod, ein Sieg, der so bitter erkauft wurde. Nun wird Er im Himmel verherrlicht. Die Herrlichkeit und das Verlangen unseres Herrn sind für uns sicher wichtiger als die Art ‚sichtbarer Tröstungen’, die wir von Seiner Gegenwart erfahren könnten. Wir sollten lernen unseren Herrn genug zu lieben, um uns über Seine Freude zu freuen.

Zweitens zeigt uns die Himmelfahrt, dass Gott das ganze Werk der Wiedergutmachung Seines Sohnes annimmt. Die Auferstehung war das erste glänzende Zeichen dieser Annahme und Pfingsten wird das letzte Zeichen sein. Die Wolke, die heute Jesus Christus einhüllt und mit Ihm zum Himmel emporsteigt, stellt den Rauch des Opfers dar, der vom Altar zu Gott emporsteigt. Das Opfer ist angenommen und der Geopferte wird in die Gegenwart Gottes empfangen, wo Er weiter in ewiger und himmlischer Weise dargebracht wird. Das Werk unserer Erlösung ist vollendet und gesegnet.

Es kehrt aber nicht nur eine Natur Christi zum Vater zurück. Zu den Menschen kam der unkörperliche Logos herab. Aber heute tritt das fleischgewordene Wort, wahrer Gott und wahrer Mensch, in das Königreich des Himmels ein. Christus bringt die menschliche Natur, die Er angenommen hat, mit. Er öffnet der Menschheit die Tür. Wie als Stellvertreter nehmen wir die Wohltaten, die uns angeboten und ermöglicht werden, in Besitz. "[Gott] hat uns mit Christus Jesus auferweckt und uns zusammen mit ihm einen Platz im Himmel gegeben." (Eph 2,6) Wenn wir glauben, sind für uns Plätze im Himmel vorbestimmt. Unsere Gegenwart ist erwünscht und erwartet.

Die Himmelfahrt lässt unsere Vorstellungen über den Himmel näher und realer erscheinen. Und was ist ‚Himmel’ genau? Theologisch wäre es nicht unmöglich, dass der Himmel ein ‚Ort’ ist, ein Ort, der unseren Erfahrungsraum transzendiert. Jedenfalls ist Himmel aber ein Zustand: ein Zustand vollkommenen Glücks. Zuallererst und ganz wesentlich besteht diese Glückseligkeit in der Schau Gottes und in der engen Gemeinschaft mit den Personen der Heiligen Dreieinheit und ihrem Leben in Liebe. Teil zu sein des göttlichen Lebens, Quelle des Vollkommenen und aller Glückseligkeit, ist unendliche Freude. Auch finden wir in Gott und bei Ihm alle die Personen und Dinge dessen Ursprung Er ist. Das können wir mit Sicherheit über den Himmel sagen – der ein Mysterium bleibt. Einfacher gesagt, stellen wir uns vor, wie es wäre, wenn wir unseren Herrn immer sehen könnten, Ihm immer nahe wären, ein Leben lebten das von Seinem durchdrungen und darin für immer festgemacht ist.

Denken wir an unsere letzte Heimat oft genug? Für die meisten Christen ist das Leben im Himmel nicht mehr als eine Ergänzung des irdischen Lebens, von der sie nur eine recht vage Vorstellung haben. Das Leben im Himmel wird als eine Art Postscriptum, ein Anhang zu einem Buch gesehen, dessen Text durch das irdische Leben geformt wird. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Unser irdisches Leben ist nur das Vorwort zum Buch. Das Leben im Himmel ist das Hauptkapitel und sein Text ist unendlich. Um mit einem anderen Bild zu sprechen, unser irdisches Leben ist nur ein Tunnel, eng, dunkel – und sehr kurz – der sich auf eine großartige, sonnenbeschienene Landschaft öffnet. Wir denken viel zu sehr an unser jetziges Leben. Wir denken viel zu wenig daran, wie das Leben sein wird. "Seit Menschengedenken hat man noch nie vernommen, kein Ohr hat gehört, kein Auge gesehen, dass es einen Gott gibt außer dir, der denen Gutes tut, die auf ihn hoffen." (Jes 64,3) Zum Orthros haben wir gesungen: "Wie Engel wollen wir Bewohner der Welt ein Fest feiern ..." (1. Stichos der Aines). Das soll besagen: öffnen wir unser Herz den Engeln und versuchen ihre Gefühle nachzuempfinden; dadurch können wir etwas von dem erfahren was sie erleben, wenn der Sohn zum Vater zurückkehrt; im Geiste sollten wir weitergehen und der Immerjungfrau Maria und den verherrlichten Heiligen nahe sein, die unsere wahren Mitbürger sein werden: "Unsere Heimat aber ist im Himmel. Von dorther erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter" (Phil 3,20). Unser Leben würde umgestaltet, wenn, ab jetzt, unser Herz hinüberreichen würde in das Himmelreich, wo sich nicht nur das Gute für uns, sondern auch für unsere Lieben findet.

Als die Jünger von Christus getrennt wurden, blieben sie doch voller Hoffnung, denn sie wussten, dass sie den Geist empfangen würden. "Beim gemeinsamen Mahl gebot Er ihnen: Geht nicht weg von Jerusalem, sondern wartet auf die Verheißung des Vaters" (Apg 1,4). Die Wolke umgibt Christus, aber diese Wolke ist schon gefärbt durch die pfingstlichen Feuerzungen. Christus geht von uns, aber Er lässt uns in einer Haltung zurück, die nicht Bedauern ist, sondern eher frohes und vertrauensvolles Erwarten.

Der Weggang Jesu war sowohl ein Akt der Segnung als auch ein Akt der Anbetung, beide voneinander abhängig: "Und während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben; sie aber fielen vor ihm nieder. Dann kehrten sie in großer Freude nach Jerusalem zurück." (Lk 24,51.52) Das sollte auch für uns das Fest Christi Himmelfahrt sein. Wenn Christus uns mit einer Segnung verlässt und wenn wir dabei vor Ihm niederfallen (bildlich gesprochen), werden wir mit neuer Kraft erfüllt – die von der Anbetung, vom Segen kommt – und wir werden wie die Apostel "in großer Freude" zurückkehren.

Aus: A Monk of the Eastern Church: The Year of Grace of the Lord. A Spiritual and Liturgical Commentary on the Calendar of the Orthodox Church. Crestwood N.Y., 1992, p. 198-201. Übersetzt von G. Wolf im St. Andreas Boten der deutschsprachigen griechisch- orthodoxen Gemeinde in München.


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