Die eucharistische Darbringung, die Anaphora, ist nach orthodoxem Verständnis ein »Opfer des Lobes« (vgl. Beginn der Anaphora) für die Heilstaten Gottes vom Anbeginn der Schöpfung an. Im Gegensatz zur abendländischen Theologie, die wegen der Fokussierung ihrer Erlösungslehre auf die Rechtfertigung in der Anaphora vor allem das Kreuzesopfer Christi vergegenwärtigt wissen will, ist die orthodoxe Anaphora Opfer, Danksagung und sakramental-liturgische Vergegenwärtigung aller Heiltaten Gottes. Sie ist Gnadengabe und Heilswerk Christi. Deshalb begreift die orthodoxe Kirche nicht den Priester als den Hauptakteur des liturgischen Geschehens, wie es die abendländische mittelalterliche Mess-Theologie getan hat. Vielmehr ist Christus Selbst der »Darbringende und der Dargebrachte«. Er ist der das Opfer der versammelten Kirche Empfangende, das Er wiederum als der alleinige Mittler Gott, dem Vater, darbringt. Und Er ist der die heilige Kommunion Austeilende und in ihr Empfangene. Nach dem Gebet des Priesters zum Cherubim-Hymnus ist unser Herr Jesus Christus Selbst der alleinige Vollzieher der heiligen Eucharistie.
Er ist unsichtbar, aber im liturgischen Vollzug des Sakramentes ganz und gar real in Seiner rechtgläubigen Kirche anwesend und wirkt sakramental durch den Priester. Nach den Gebetsworten der Heiligen Liturgie geschieht die Verwandlung sowohl an den vorgelegten Gaben wie auch an der versammelten Gemeinde, die dadurch aus göttlicher Gnade erst befähigt wird, das »Heilige den Heiligen« (vgl. Ausruf des Priesters vor der heiligen Kommunion) zu empfangen und die wiederum bekennt: »Einer ist Heilig, Einer ist der Herr, Jesus Christus, zur Verherrlichung Gottes des Vaters. Amen.«
Für orthodoxe Christen bleibt deshalb jedes rein symbolische Verständnis des Abendmahls aus ihrer kirchlichen Glaubenserfahrung heraus unverständlich. Die Feier der Göttlichen Liturgie ist keine einfache Symbolhandlung, die als bloße Erinnerung an das letzte Abendmahl Jesu verstanden und vollzogen werden könnte. In der Feier der Göttlichen Liturgie wird das Opfer Christi, das Er bereits in der Feier des Letzten Abendmahles Seinen heiligen Apostel und Jüngern sakramental zugänglich gemacht hat, nicht wiederholt, sondern liturgisch-sakramental vergegenwärtigt. Die Feier jeder Göttlichen Liturgie ist ein Gegenwärtig- und Realwerden jener ersten heiligen Kommunion, in der Christus Selbst Sein Heilshandeln durch die Teilhabe an Seinem letzten Heiligen Abendmahl Seinen Jüngern und Aposteln dargereicht hat. So ist die Feier der Göttlichen Liturgie, zu der nach genuin orthodoxem Verständnis deshalb auch immer die Teilhabe an der heiligen Kommunion (griechisch: Η Θεία Κοινωνία oder ή Αγία Κοινωνία) gehört, ein sakramental-liturgisches Gegenwärtigwerden jener heiligen Nacht, in der Christus Selbst mit Seinen Jüngern und Aposteln am Tisch saß und das Mysterion der heiligen Eucharistie vollzog.
Dieses heilige Mysterion der realen göttlichen Gegenwart und der sakramentalen Teilhabe am Heilshandeln Christi wird in der orthodoxen Kirche in der Feier der heiligen Eucharistie ununterbrochen fortgeführt. Deshalb beten wir vor dem Empfang der heiligen Gaben, wenn die Priester uns den Kelch des Heiles zeigt und ausruft: »Mit Glauben und Gottesfurcht tretet heran«, »Ich glaube, o Herr, und ich bekenne, dass Du bist Christus der Sohn des lebendigen Gottes …auch glaube ich, dass dies Dein Allreiner Leib Selbst und dies Dein Kostbares Blut Selbst ist…Des geheimnisvollen Gastmahls mache mich heute teilhaftig, o Sohn Gottes, Deinen Feinden will ich das Geheimnis (Mysterion) nicht verraten…«.
So glaubt die orthodoxe Kirche fest daran, dass sich in der Feier der heiligen Eucharistie Brot und Wein in den wahren Leib und in das kostbare Blut Christi verwandeln und nicht rein symbolische Darstellungen oder Bilder gleich den alttestamentlichen Bundeszeichen sind, wie es unsere reformierten und freikirchlichen Mitchristen meinen.
Ein solches ganz und gar sakramental-reales Verständnis der heiligen Eucharistie ist kennzeichnend für die Kirche Christi seit der Zeit der heiligen Apostel. So bezeugt uns der heilige Josephus Flavius im 2. Jahrhundert: »Diese Speise ist der Leib und das Blut dieses fleischgewordenen Jesus«. Und der heilige Ignatius, der Gottesträger, ein Schüler des heiligen Johannes des Theologen, der im 2. Jahrhundert Bischof von Antiochien war und sein Christusbekenntnis mit dem Martyrium besiegelt hat: »Die Eucharistie der Leib unseres Heilandes Jesu Christi ist, der für unsere Sünden gelitten hat«. Auch die heiligen Apostel überliefern uns, was Christus Selbst über die heilige Eucharistie lehrte: »Denn mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich in ihm« (Johannes 6:55-56).
Durch die heilige Kommunion vollzieht sich nach orthodoxem Glauben die Vereinigung des Gläubigen mit Christus Selbst; nicht symbolisch und bildlich, sondern wirklich, real und vollständig. So wie Christus Brot und Wein sakramental durchdringt und sie mit Seiner Göttlichkeit erfüllt, so geht Er auch in den Menschen ein und erfüllt seinen Leib und seine Seele mit Seiner lebensschaffenden Gegenwart durch die gnadenhafte Teilhabe an den ungeschaffenen göttlichen Energien. Die Teilhabe an der Heiligen Eucharistie vergöttlicht uns (vgl. die Vorbereitungsgebete vor dem Empfang der heiligen Kommunion), das heißt sie gibt uns wirklich Anteil an der göttlichen Gnadengabe der Erlösung.
Doch wie jedes der anderen heiligen Mysterien Christi wirkt auch die heilige Eucharistie nicht dinglich-magisch an uns, sondern immer geistlich-sakramental. Damit der Empfang der heiligen Gaben zur göttlichen Kommunion für uns werden kann, müssen wir mit der uns darin geschenkten göttlichen Gnade zusammenwirken, das heißt, sie durch ein ernsthaftes geistliches Leben fruchtwirkend in uns werden lassen.
Im Empfang der heiligen Eucharistie werden wir, wie es die Heiligen Väter sagen, »des gleichen Fleisches« mit Christus. Er geht in uns ein wie er einst in den Schoß der Allheiligen Gottesgebärerin und Immerjungfrau Maria einging. Er nimmt in geistlich-realer Wohnung in uns mit dem Vater und dem Geiste. Wir werden dadurch zu geistlich-leiblichen Tempeln Gottes. Der heilige Symeon, der Neue Theologe, sagt darüber, dass Christus, indem Er sich mit uns vereinigt, alle Glieder unseres Körpers göttlich macht: »Du bist uns dem Fleisch nach verwandt und wir sind Dir verwandt nach Deiner Göttlichkeit. Du verbleibst mit uns jetzt und immerdar, Du nimmst in jedem Deine Wohnung, und Du wohnst in allen. Jeder von uns einzeln ist mit Dir, o Heiland, ganz mit dem Ganzen, und Du bleibst in jedem Einzelnen. So werden alle Glieder von jedem von uns zugleich Glieder Christi und wir gemeinsam werden zu Gott, da wir alle zusammen in Gott sind«. In diesen Worten des Heiligen Symeon, des Neuen Theologen, leuchtet uns die geistliche Erfahrung unserer orthodoxen Kirche auf: Die enge Verbindung zwischen der heiligen Kommunion und der Erlangung des Heiles, der geistlich-organischen Verbindung des Empfangs der heiligen Eucharistie mit ihrer Wirkung der gnadenhaften Vergöttlichung, die nach orthodoxen Verständnis das Ziel des christlichen Lebens ist. Deshalb spricht der heilige Irenäus von Lyon von der heiligen Eucharistie als der »Arznei, die zur Unsterblichkeit führt«.
Nach orthodoxem Verständnis wurde der Mensch als eine Einheit aus Seele, Geist und Körper erschaffen. Deshalb verstehen wir Orthodoxen den christlichen Glauben und die damit verbundene die Erlösung immer ganzheitlich; niemals nur als eine Glaubenslehre oder religiöse Philosophie, die sich nur an unseren Geist richten würde, niemals nur als Rechtfertigung oder Gerechtsprechung vor Gott, die nur unsere Seele betreffen würde, sondern als Vergöttlichung, als eine vollständige Erlösung und Heiligung, die den gesamten Menschen ergreifen, verändern, heilen und heiligen soll. Hierin liegt, unter anderen, einer der Gründe für die besondere Hochschätzung der leiblichen Aspekte im Erlösungsprozess des Menschen, die sich in den sakramentalen Vollzügen unserer orthodoxen Kirche und ihrer Aneignung durch den geistlichen Glaubensweg der christlichen Askese im Leben des einzelnen Gläubigen ausdrückt.
Auch unser Leib erhält durch den Empfang der heiligen Kommunion so etwas wie einen Sauerteig der Unverweslichkeit. Nicht nur Seele und Geist, sondern auch der Leib wird durch den Empfang der heiligen Eucharistie vergöttlicht. Deshalb sind die Leiber vieler Heiliger, die sich schon in ihrem irdischen Leben in besonderer Weise der Vergöttlichung angenähert haben, auch nach ihrem irdischen Tod unverwest geblieben. Da sie bereits in ihrem irdischen Leben ein hohes Maß an Christusförmigkeit erlangt haben, gehen auch von ihren Reliquien gleich wie vom Leibe Christi selbst (vgl. Matthäus 9:18-22; Markus 5:25-34; Lukas 8:43-48) gnadenwirkende Kraft aus.
Aber auch diejenigen Gläubigen, die in ihrem Erdenleben nicht den Stand vollkommener Heiligkeit erreicht haben, gewährt der Empfang der heiligen Kommunion die Arznei der Unsterblichkeit und zwar nicht nur der seelisch-geistlichen, sondern auch der Unsterblichkeit ihrer Leiber. Auch wenn sie sterben und ihre Leiber danach verwesen, wird dieser »eucharistische Sauerteig« für ihre gesamte menschliche Person zum Unterpfand der zukünftigen Auferstehung. Hierin liegt im Übrigen auch der geistliche Sinn, warum die orthodoxe Kirche die mutwillige Verbrennung der verstorbenen Leiber konsequent ablehnt und in dieser Praxis eine gelebte Form der Apostasie sieht.
Wegen dieses besonderen, umfassenden Wirkcharakters der heiligen Kommunion schenkt die orthodoxe Kirche diesem Mysterion eine besondere geistliche und liturgische Beachtung, wenn auch die heilige Eucharistie in die Gesamtheit der übrigen Sakramente eingeordnet bleibt. So ist die Heilige Eucharistie Krönung und Abschluss der Sakramente, durch die wir zu Christen werden. In der heiligen Taufe erhalten wir die Vergebung der Sünden, in der heiligen Myronsalbung erhalten wir die Gnadengabe des Heiligen Geistes, die uns befähigt, in der bereits empfangenen Taufgnade zu leben. In der heiligen Eucharistie wird dieses neu empfangene Leben in Christus dann genährt und auferbaut.
Zugleich werden wir durch den Empfang der heiligen Kommunion in den mystischen Leib Christi auf Erden, die heilige Kirche, eingefügt und damit befähigt, den Weg zu unserer Erlösung, zur Theosis, in der Gemeinschaft alen übrigen Gläubigen zu beschreiten. Diese drei Mysterien verleihen einem jeden orthodoxen Gläubigen das allgemeine Priestertum, also die Fähigkeit der Welt die Frohe Botschaft von der Erlösung in Jesus Christus zu bezeugen und den Weg zur Heiligkeit zu beschreiten.
Ohne die Gnadengabe der göttlichen Gemeinschaft in der heiligen Kommunion und die damit empfangene geistliche Stärkung würden wir schnell durch den Bösen verführt und von ihm vom Wege des Heiles wieder abgebracht werden.
Auch alle übrigen Sakramente haben eine solche organische Beziehung zur heiligen Eucharistie. So verleiht uns die heilige Beichte oder Buße die Gnadengabe der Sündenvergebung, also die Wiederherstellung der Taufgnade und befähigt uns damit, segensreich die Heiligen Gaben zu empfangen. Die Handauflegung oder Chirotoneia verleiht dem Empfänger das sakramentale Priestertum, also die Gabe, die heiligen Mysterien für die Kirche zu vollziehen und die orthodoxe Glaubensbotschaft in der Mitte der Rechtgläubigen zu verkünden.
Auch die beiden christlichen Lebenswege des Ehestandes und des Mönchtums erwachsen nicht aus sich selbst heraus. Gleich einer zweiten Taufe sind sie sakramentale Grundlegung einer Vertiefung des christlichen Lebensweges, die immer wieder der Einwohnung Christi in uns durch den Empfang Seiner Heiligen Gaben bedarf, damit jeder dieser beiden Lebenswege zu einem Pfad, der zur Heiligkeit führt, werden kann.
Die besondere Heilsbedeutung der heiligen Eucharistie wird auch daran deutlich, dass das Mysterion der Krankensalbung, das Sakrament der geistlichen und körperlichen Heilung im Anschluss an den Empfang von Beichte und Kommunion gespendet werden soll (soweit es der Körperliche zustand des Erkrankten zulässt).
Aus all den hier Gesagten wird die mit nichts zu vergleichende geistliche Bedeutung der heiligen Kommunion in Bezug auf die Erlösung des ganzen Menschen mehr als deutlich. Denn ohne die heilige Eucharistie gibt es weder Erlösung noch Vergöttlichung; weder wahres Leben noch Auferstehung und ewiges Leben.
Der heilige Apostel und Evangelist Johannes sagt uns dazu: »Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes esst und Sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch.« Und: »Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage« (Johannes 6:53-54).
Diese Worte Christi werden in der orthodoxen Kirche nicht symbolisch, sondern ganz real wortwörtlich verstanden. Aus diesem Grunde weist die orthodoxe Kirche ihre Gläubigen wieder und wieder auf diese Worte im heiligen Evangeliums hin. So wird den orthodoxen Gläubigen in allen orthodoxen Lokalkirchen empfohlen, nach würdiger Vorbereitung regelmäßig das Mysterion der heiligen Eucharistie zu empfangen. In der russischen Tradition sind die Gläubigen heute eingeladen und aufgerufen, wenn möglich jeden Sonntag die Heiligen Gaben zu empfangen.
Dabei verzichtet die orthodoxe Kirche jedoch nicht auf die notwendige Vorbereitung auf die Begegnung mit den Heiligen Gaben durch Fasten und Gebet. Deshalb werden in der russischen Kirche dem Kommunikanten in der Regel auch der Besuch der Nachtwache am Vorabend und die vorherige Beichte vorgeschrieben.
Manche orthodoxe Gläubige gehen deshalb nur einmal im Monat oder sogar nur einmal im Jahr zur heiligen Kommunion. Zur Zeit der Synodalepoche in der russischen Kirche vor 1917 traten die Frommen in den vier Fastenzeiten zum Empfang der heiligen Kommunion heran, andere jedoch oft nur einmal im Jahr in der Karwoche oder der österlichen Festzeit. Dieser Brauch entsprach aber nicht der ursprünglichen Lehre der orthodoxen Kirche, wie uns jeder Blick in die Schriften der heiligen Väter schnell zeigt. So weist uns der heilige Johannes Chrysostomos mit großer Ernsthaftigkeit darauf hin, dass sich derjenige, der ohne schwerwiegenden Grund nicht an der heiligen Kommunion teilnimmt, bereits selbst exkommuniziert hat, da er die heilige Gemeinschaft mit Gott und dem mystischen Leib Christi gering achtet.
In der russischen Kirche kehrte die Mehrheit der Gläubigen in der Zeit der atheistischen Verfolgungen zum häufigeren Empfang der Heiligen Gaben zurück.
In Bezug auf unsere Vorbereitung auf den Empfang der Heiligen Gaben und auf die damit verbundene notwendige Ausrichtung unseres geistlichen und asketischen Lebens lässt sich zunächst einmal grundsätzlich festhalten, dass wir Menschen weder uns in der Heiligen Beichte wirklich so zu erkennen vermögen, wie wir vor dem allsehenden Auge Gottes wirklich mit unserem Leben stehen, noch dass auch nur einer von uns die große Heiligkeit dieses Göttlichen Sakramentes ganz erfassen könnte, geschweige denn mit all unseren asketischen und geistlichen Bemühungen je »würdig« werden könnten, das Sakrament aus dem Grunde »eigener Würdigkeit« empfangen zu dürfen. Als Menschen sind wir allzumal alle ohne jede Ausnahme Sünder; wir sind geislich und deshalb oft auch psychisch und physisch Kranke, die des göttlichen Arztes der Seele und des Leibes Christi, unseres menschenliebenden und erbarmenden Gottes und Seiner heilenden Gnade bedürfen. Die Göttliche Eucharistie ist von Christus gerade dazu eingesetzt worden, damit wir, wenn wir die Allheiligen Gaben empfangen und dadurch mit Christus vereinigen, immer reiner und so der gnadengewirkten Gemeinschaft mit Gott mehr und mehr würdig werden. Aber nicht wir sind von uns aus würdig, sondern durch die gnadengewirkte Vergöttlichung werden wir von Gott aus Gnade und Barmherzigkeit würdig gemacht. Unser geistliches Leben und unsere asketische Vorbereitung auf den Empfang der Heiligen Gaben durch Fasten und Gebet ist nur unsere vorauseilende Antwort und notwendige Vorbereitung auf unsere große Begegnung mit der unverdienten Liebe Gottes, die uns Christus offenbart hat und die Er uns im Empfang der heiligen Kommunion wieder und wieder von Neuem schenkt.
So betont unsere orthodoxe Kirche und erinnert die Gläubigen ernsthaft daran, dass jeder, der das Sakrament empfängt, zu dieser Begegnung mit Christus vorbereitet sein muss. Die wahrhaft orthodoxe Vorbereitung auf dem Empfang der heiligen Kommunion darf sich aber nicht auf das Lesen einer bestimmten Zahl von Gebeten und auf die Enthaltung vom Genuss bestimmter Speisen einschränkt werden. Die heiligen Väter, die Texte der Gottesdienste in der Großen Fastenzeit und die großen Seelsorger aller Zeiten werden nicht müde, uns wieder und wieder darauf hinzuweisen, dass die echte geistliche Vorbereitung auf den Empfang der Allheiligen Gaben in erster Linie in einer ernsthaften Läuterung des Gewissens, im Ablegen aller Feindseligkeit gegenüber unserem Mitmenschen und Nächsten und der konsequenten Überwindung jeglichen inneren Grolls und Verärgerung gegenüber unserem Nächsten besteht. Es geht deshalb in der Kommunionvorbereitung vor allem um eine aufrichtige Versöhnung mit allen Menschen.
Ob wir vor jedem Empfang der heiligen Kommunion zu Beichte gehen, oder ob wir in regelmäßigen Abständen beichten, hängt unter anderem von den historisch gewachsenen Regeln des kirchlichen Lebens ab, denen unsere eigene orthodoxe Lokalkirche folgt.
Generell aber gilt für alle orthodoxen Christen, dass es ein ernstes Hindernis für unsere Teilnahme an der heiligen Eucharistie darstellt, wenn wir durch schwere Sünden belastet sind. Diese müssen unbedingt vorher im Sakrament der Heiligen Beichte bekannt und durch den Priester vergeben werden.
In der orthodoxen Kirche ist es üblich, die heilige Kommunion nüchtern zu empfangen, weil der menschliche Körper durch dieses eucharistische Fasten gereinigt und vorbereitet werden soll, durch den Empfang der heiligen Gaben ein lebendiger Tempel Gottes zu werden.
Gesunde und erwachsene orthodoxe Christen enthalten sich deshalb ab Mitternacht des Vorabends aller Speisen und Getränke. Alte, Schwangere und kleine Kinder sind, wie auch sonst von der akribischen Strenge des asketischen Lebens ausgenommen. Wer unsicher ist, wie er sich im Einklang mit den kirchlichen Regeln verhalten soll, sollte seinen Priester vorher fragen.
Die heilige Kommunion auf nüchternen Magen zu empfangen ist eine altkirchliche Tradition. Sie geht bis auf die nachapostolische Zeit zurück, als die Göttliche Liturgie aufhörte, Fortsetzung des Agape - des altchristlichen Liebesmahles - zu sein und sich in einen feierlichen Gottesdienst verwandelte, der in den Morgenstunden gefeiert wurde.
Alle Vorschriften bezüglich der Vorbereitung auf den Empfang der heiligen Kommunion dienen aber niemals einem geistlosen Ritual, sondern sollen den Menschen darauf vorbereiten, dem lebendigen Gott im Sakrament wirklich begegnen zu können. Nicht Gott bedarf unseres Fasten und unserer Gebete, obwohl Er sich darüber freut, sondern wir bedürfen ihrer gleich des hochzeitlichen Gewandes, das Gott uns in der heiligen Kommunion verleiht. Wir müssen uns aber darauf vorbereiten, die unverdienbare Gnadengabe Gottes, Seine uns darin begegnende Liebe und erlösende Fürsorge erkennen zu können, damit wir das hochzeitliche Gewand Gottes nicht einfach achtlos beiseite werfen und uns lieber im schäbigen Kittel des alten Adams ins himmlische Hochzeitsmahl einzuschleichen versuchen.
Die Heilige Kommunion ist unsere große Begegnung mit Gott. Dieser heiligen und uns heiligenden Begegnung muss sich der das Sakrament empfangende Mensch ernsthaft bewusst werden, damit diese Begegnung zu einer ihn zur Heiligkeit verwandelnden Begegnung werden kann.
So gibt es in der Vorbereitung auf den Empfang der heiligen Gaben gleichsam ein für uns Menschen nur schwer zu erfassendes Paradoxon, das uns aber das Geheimnis der Gottesbegegnung im Empfang der Heiligen Gaben erschließt: Zum einen rufen uns die Vorbereitungsgebete dazu auf, uns der heiligen Eucharistie in einer Gesinnung der Buße und Umkehr zu nähern. Zum anderen aber rufen uns die gleichen Gebete dazu auf, uns dem Kelch des Heiles mit Gottesfurcht, geistlicher Freunde und Vertrauen auf Gottes großes Erbarmen und Seine unüberwindliche Liebe zu nähern. So sollen wir uns dem Empfang der heiligen Kommunion demütig wegen des Bewusstseins unserer eigenen Sündhaftigkeit und hierher rührenden Unwürdigkeit, aber zugleich auch mit geistlicher Freude nähern, weil der Herr uns Menschen durch die innige Begegnung mit sich Selbst, im Empfang der heiligen Eucharistie, reinigt, heiligt und vergöttlicht. Er Selbst ist es nämlich, der uns so aus Gnaden würdig macht, Ihm in der heiligen Kommunion zu begegnen trotz all unserer eigenen Unwürdigkeit.